Zum Thema "Der Rechtsanwalt im Wandel der Zeit"
7. - 9. MAI 2009
40. DACH-Tagung in Vaduz
Die Manuskripte der Referenten finden Sie unter der Rubrik "Tagung".
RA Dr. Bruno Derrer, Zürich
Rede
Was machen Sie, wenn alle Vorstandsmitglieder nacheinander auf Sie zugekommen und jeder sagt, wir planen einen Angriff auf dich: „Du sollst eine launige Rede zur Vereinsgeschichte halten.“ Da fragte ich mich doch, ist dies eine persönliche Kriegserklärung oder nur ein terroristischer Überfall. Da wir schon bei der militärischen Terminologie sind: Sollte sich jemand unbeabsichtigerweise angegriffen fühlen, so ist das lediglich ein sogenannter Kollateralschaden und er tröste sich mit dem Gedanken, dass das ja ein "Friendly Fire" war.
Nach der Rede von Peter Wieland, weiss ich nun, dass es eine offizielle Kriegserklärung ist, hat er mich doch als „Frauenbeauftragter des Dach“ bezeichnet. Ein Frauenbeauftragter ohne entsprechendes Spesenetat ist aber handlungsunfähig, quasi ein „Johann ohne Land“.
Nach langem Abwägen kam plötzlich die Idee zu einer angemessenen Reaktion. Als überzeugtes Mitglied moderner, von der Kavallerie bedrohter, Indianer antworte ich mit einem klassischen Schiller Zitat: „Nein, nein, nicht DIESES! sondern ich sage nur sybillinisch: Gefährlich ist’s den Leu zu wecken...“
Sie merken, ich kopiere einfach die talentierten Rhetoriker die über die Entstehung der Rede sprechen, wenn sie nichts zum Thema zu sagen haben.
Und was bitte schön ist denn „launig?“ Nur schon die Abgrenzung von launig zu lustig wäre abendfüllend. Und soll das Launige in Prosa daherkommen oder muss es sich gar reimen.
Ist die Causa international
gibt es praktisch keine Wahl.
Alles angelsächsisch/frankophon
gar kein Deutsch, dies ist ein Hohn.
Sprachbewusste nahmen drum
dies dem Ausland völlig krumm.
Anwälte die des Deutschen mächtig
präsentieren sich ganz prächtig,
gibt man die Gelegenheit
dies zu zeigen weit und breit.
Diese Herren gar nicht schwach,
gründeten nun flugs die DACH.
Und so war zu aller Nutz
die erste Tagung in Vaduz.
Sie merken die Zeilen wurden kürzer, mir sind die Reime ausgegangen.
Die erste Tagung im Herbst 89 dauerte nur einen Tag und als Thema hatten wir die verschiedenen Gebührenordnungen.
Ein Kollege sprach auf einem intellektuellen Niveau, das meines klar überstieg. Also wandte ich mich an den mir unbekannten Nachbarn und sprach: Das versteht ja kein Schwein. Seine Antwort: Er ist zwar mein bester Freund, doch Sie haben Recht.
Ich konnte in der Folge diesen schweren Fauxpas etwas mildern, mit dem Hinweis, dass man das Mittagessen, das noch nicht organisiert war, am besten im Restaurant Real einnehme, wo man gut speise.
Die zweite Tagung fand in Wien statt. Auf dem Programm war der Hinweis, dass für den Empfang beim Bürgermeister ein dunkler Anzug angemessen sei. Als Mitglied eines kleinen störrischen Bergvolkes, dachte ich, für das obligate Glas Weissen im Stehen genügt ein grauer Anzug. So dachten offensichtlich auch weitere Kollegen. Im Rathaus angekommen, war dort weiss gedeckt, ein üppiges Buffet und ein Zwei-Mann-Orchester vorhanden. Wir waren verblüfft und äusserten unser lobendes Erstaunen. Da sagten die Wiener Kollegen mit einer Nonchalance, die ihresgleichen sucht: Aber ich bitte Sie, das ist doch selbstverständlich!
Einige von uns sassen später noch bis in alle Herrgottsfrühe in der Eden Bar. Ein österreichischer Kollege sagte plötzlich: Ab 3'000 Meter Höhe und ab 03:00 Uhr früh bin ich per Du. Ich bin der Harald. So begann eine bald zwei Jahrzehnte dauernde Freundschaft.
Dritte Tagung, München
Hier gab es dann das obligate Glas Weissen im Stehen zwischen römischen Skulpturen.
Vierte Tagung, Zürich
Hier wurden wir als Abendprogramm auf den Hausberg von Zürich geführt. Dort wurden wir dann geblasen oder beblasen oder wie auch immer. Auf jeden Fall trat eine Gruppe von Waldhornbläsern auf, die mit ihrer Begeisterung fürs Blasen jegliche Kommunikation für längere Zeit äusserst erfolgreich unterdrückten.
Merke:
Musik wird oft als Lärm empfunden,
dieweil sie mit Geräusch verbunden
Am Samstag wollte ich dann mit einigen österreichischen Kollegen auf den Pilatus bei Luzern, der die steilste Zahnradbahn in Europa aufweist. Nach schier endlosem Warten an der Talstation habe ich dann zu meinem Entsetzen festgestellt, dass die Bahn den Sommerbetrieb nicht am Samstag sondern erst am Sonntag aufnahm. Wir sind dann stattdessen auf den Bürgenstock und Eddy Borsari hat den Tag mit einer Einladung zur Grillparty im Garten doch noch gerettet.
In jener Zeit kam auch endgültig Opposition auf, da wir mit dem ursprünglich vorgesehenen ewigen Rundlauf Vaduz, Wien, München und Zürich nicht mehr einverstanden waren und andere Städte sehen wollten. Nach langem Ringen mit dem Vorstand konnten wir die Zahl der Tagungsorte stark erweitern dann auch originellere Tagungsorte durchsetzen.
Wir hatten in der Folge Tagungen an international bekannten Orten wie Malbun, Vösendorf, Bad Ragaz, Baden bei Wien ....
Im Frühling 95 waren wir in Dresden. Das war zwar nicht besonders lustig, aber sehr eindrücklich. All diese noch von der Braunkohle geschwärzten Fassaden zum Teil noch mit kommunistischen Slogans. Die Frauenkirche war noch in Trümmern. Zum Teil, doch nur zum Teil, noch sozialistisches Service-Verständnis ... Sie haben's gemerkt zu einer launigen Rede gehören auch zwei, drei ernsthafte Sätze.
Im 97 waren wir in Nürnberg, da ging es um Marketing der Anwälte. Doch das beste Marketing haben nicht die Marketing-Gurus betrieben, sondern die Anwälte selbst. Ich hatte das Glück an einem Tisch mit berühmten Namen wie Feuerbach und Duden zu sitzen. Wir haben an diesem Abend sehr viel gelacht und Kollege Duden benützte den Ausdruck "Visimatente". Ich war hoch erfreut diesen fast vergessenen Ausdruck wieder einmal zu hören, worauf er mir gleich dessen Herkunft erklärte. Frankreich hatte irgendwann mal Truppen in Deutschland stationiert. Die Soldaten lebten in Zelten. Wenn die jungen Damen der Gegend spazieren gingen riefen ihnen diese ebenso jungen Soldaten immer: Visitez ma tente! Visitez ma tente! Die deutschen Väter des Französischen nicht so geläufig machten daraus Visimatente. Mach keine Visimatenten, heisst mach keine Dummheiten.
Wir hatten mehrere Tagungen in Bad Ragaz, die ich jeweils nur besuchte, weil ich als Hotelgast den Golfplatz benützen konnte.
1998 waren wir in Luxemburg. Das Hotel war eine ziemliche Baustelle und ab ca. 22:30 Uhr oder so wurde der Alkohol rationiert, das heisst der Ausschank wurde eingestellt. So mussten wir aus einer anderen nahe gelegenen Bar Wein holen um im eigenen Hotel noch was trinken zu können. Nach dem Freitagsdinner war noch freier Ausgang, da schlenderte ich mit etwa sieben oder acht Kolleginnen und Kollegen durch die Altstadt von Luxemburg. Wir kamen an einem sehr schönen alten Karussell mit diesen Karussellpferdchen vorbei. Da nötigte ich alle Kollegen und Kolleginnen zu zwei Fahrten auf dem Karussell. Als ich beim Betreiber die Fahrten bezahlte, schaute er mich zweifelnd an und sagte: Sie machen aber keine Dummheiten. Da entgegnete ich: Nein, nein, wir sind alles Rechtsanwälte. Dies schien ihn aber nicht zu beruhigen.
Im Jahre 99 verstarb unser erster Präsident Prof. Schuppich. Die nächste Tagung war in Wien und vermutlich aus aktuellem Anlass ziemlich verregnet. Auf dem Programm stand ein Besuch des Grabes auf dem Zentralfriedhof bei Regen. Eine kleine aber trotzdem trinkfest Gruppe von Dissidenten befand einhellig das sei kein würdiger Abschied vom Präsidenten. Wir würden dessen Andenken eher gerecht, wenn wir bei einem Glas Weisswein im Trockenen auf ihn anstossen.
Im Frühling 2000 waren wir in Strassburg. Ich wollte noch mit einer Kollegin um die Häuser ziehen, doch 50 m vom Hoteleingang bekam Sie Angst vor ihrer eigenen Courrage, stürzte sich todesmutig vom Bordstein sodass der Ausflug beendet war.
Seither frage ich mich fast täglich, bin ich denn so ein Monster?
Im Frühling 03 waren wir in Bregenz an einer Tagung, die ich leicht gefrustet verliess. Im Programm für die Begleitpersonen war nämlich eine Besichtigung von Wolford vorgesehen. Dass da auch die Teilnehmer hätten mitfahren können, wurde viel zu spät und zu wenig klar kommuniziert. Wir hörten erst am Schluss, wir hätten etwas verpasst und Wolford sei enttäuscht gewesen, dass so wenige gekommen seien. Das meine Herren, wäre endlich mal eine Weiterbildung von praktischem Nutzen gewesen.
Im Frühjahr 05 fand die Tagung wieder einmal in Zürich statt. Beim Galadinner bei den Halbaffen in Zoo machte uns der Präsident des Appellationsgerichtes des Kantons Zürich mit einer juristischen Neuheit vertraut. Er erläuterte uns nämlich, dass eine Visitenkarte eine Urkunde sei. Ich sehe Ihr ungläubiges Staunen, aber ich kann's Ihnen erklären. Das Appellationsgericht von Zürich hatte Besuch einer chinesischen Delegation mit Dolmetscher. Obwohl man gegenseitig durch den Dolmetscher inklusive Funktion und Titel vorgestellt worden war, war die Atmosphäre beim Apero am Ende des Arbeitstages sehr, sehr steif. Dies dauerte so lange bis sich der amtshöchste Richter der chinesischen Delegation zum Appellationsgerichtspräsidenten von Zürich wagte und ihm seine Visitenkarte überreichte, dieser hielt Gegenrecht. Beide schauten – wie es der Brauch - auf die Karte des Anderen, haben nichts verstanden, sich aber gegenseitig bedeutungsvoll zugenickt und damit war das Eis gebrochen. Seither ist eine Visitenkarte eine Urkunde.
Im Herbst 95 waren wir in Düsseldorf in einem neu erstellten Hotel. Einige Kollegen und Kolleginnen konnten das Zimmer nur mit Hilfe betreten resp. verlassen, Nein nicht was sie gerade denken! Diverse Zimmertüren sehr stark. An dieser Tagung hielt ich ebenfalls einen Fachvortrag. Dies natürlich in meinem gepflegtesten Hochdeutsch, das Sie mittlerweile kennen. Nach dem Vortrag kam ein Deutscher Kollege auf mich zu, bedankte sich und erklärte mir, er sei allerdings auch selbst ein bisschen stolz auf sich: "Er habe gar nicht gewusst, dass er selbst so gut Schweizer Dialekt verstehe.
Im Frühjahr 06 waren wir wieder mal in Wien. Am Nachmittag wurde ich von einigen Kolleginnen ultimativ aufgefordert, sie auf einem Stadtrundgang zu begleiten. Dies bereitete mir einigermassen Bauchschmerzen, pflege ich doch bekanntermassen sonst keine Vorträge zu schwänzen. Ein Wiener Kollege begleitete uns. Als wir am eher unauffälligen Eingang zur Kaisergruft vorbei kamen, sagte uns der Wiener Kollege, es lohne sich diese Gruft zu besuchen, da weit über hundert Mitglieder der Habsburger Familie dort beerdigt seien. So für mich dachte ich, machen wir ihm die Freude 100 Särge im Eilesschritt, das sind 10, maximal 15 Minuten, das ist erträglich.
Er begleitete uns und begann schon im Vorraum mit einigen Erklärungen. Auf meine Zwischenfrage, wieso er das alles wisse, erklärte er uns, er interessiere sich für Geschichte und habe während dem Studium hier Führungen gemacht. Aus den 15 Minuten wurde dann natürlich nichts und wir waren weit über eine Stunde, möglicherweise sogar bis gegen zwei Stunden drin. Aber ich muss Ihnen gestehen, das war eine Führung vom Allerfeinsten!!! Es war mir keine Minute langweilig, der Vortrag war spannend, leichtfüssig, er hat uns sehr viele Bedeutungen und Merkmale erklärt und warum zum Teil welcher Sarg, wo steht, darauf wären wir selbst nie gekommen. Am Schluss sind wir dann noch am Sarg der Kaiserin vorbeigekommen, die mit bürgerlichem Namen Romy Schneider hiess.
Am Samstag Abend hatten wir dann, obwohl ausserhalb der Tagung doch als krönenden Abschluss noch eine Führung in zwei Gruppen durchs Schloss Schönbrunn. Auch diese Führung war, ich muss es neidlos gestehen, eine Ausnahme, denn Sie war interessant, kurzweilig und lehrreich. Ich weiss jetzt, warum man von Apothekerpreisen spricht und sagt: Mich laust der Affe. Nein, nein meine Lieben, die hier nicht dabei waren, ersteres ist nicht wegen der Medikamentenpreise, sondern weil früher die Apotheker Gewürze inklusive Salz und Pfeffer zu horrenden Preisen verkaufen konnten. Der Ausruf "Mich laust der Affe" stammt von der Tatsache, dass die Barbiere, für die Deutschen die Frisöre und für die Schweizer die Coiffeure, manchmal wenn sie auf den Märkten ihre Arbeit verrichteten, dressierte Affen dabei hatten, welche die Haare der Leute, natürlich gegen Bezahlung, von den Läusen befreiten, also quasi Fellpflege betrieben.
Im Frühling 07 waren wir in St. Gallen, das ja im Vergleich zu den Weltstädten die wir gesehen haben, wie Malbun und Vösendorf, Bad Ragaz, Vaduz und Bern, nichts zu bieten hat, ausser natürlich der Stiftsbibliothek des Klosters, die wirklich sehenswert ist. Beim Zusatzprogramm am Samstag Nachmittag war auch der Auftritt von Alphornbläsern eingeplant. Als die noch mit ihren Hörnern rumstanden und gnädigerweise noch nicht bliesen, hat ein Kollege, dem diese Dinger unbekannt waren, mit Erstaunen ausgerufen: "Mein Gott, was rauchen die denn?"
Frühling 08 waren wir in Graz, wo ich noch einen namhaften Beitrag zur Rechtsentwicklung im Familienrecht leistete. Eine Kollegin hatte beim Casinobesuch den Ausweis nicht dabei. Da wir nur gutaussehende Kolleginnen in unserem Verband haben, brauche ich nicht zu erwähnen, dass sie attraktiv ist. Als sie zurück ins Hotel wollte, um den Ausweis zu holen, sagte ich: "Nö nö, das kriegen wir anders hin. Ich gebe Sie als meine Ehegattin aus." Die bei der Eingangskontrolle wollten nicht so recht und gaben sich etwas störrisch. Erst als ich denen sagte: "Hören Sie, es ist wie in jeder Ehe. Meine Gattin hat die Schönheit und ich habe die Kohle", fanden Sie das ein bestechendes Argument und die Kollegin wurde als meine Temporärehegattin im Besucherverzeichnis eingetragen. Beim Verlassen des Casinos wurde diese Temporär-Ehe natürlich ipso jure automatisch und ohne weitere Folgekosten aufgelöst. Ich denke da wäre noch manch einer froh, wenn er dies auch könnte.
Merke: Die Schweizer sind bei der Rechtsentwicklung vorne mit dabei.
Wir sind im heute angekommen,
doch soll das Ganze etwas frommen,
bewegen wir uns weiterhin
zu einem klaren Ziele hin.
Viel Weiterbildung, das ist richtig,
doch Freunde sind genauso wichtig.
Hast Du Kontakt zu aller Welt,
sich auch der Erfolg einstellt.
Bei Problemen im fremden Recht,
sind Anwaltsfreunde gar nicht schlecht.
Ein Mail, ein Fax, ein Telefon
Bald kommt die Lösung schon.
Der Klient verblüfft, ist hoch erfreut,
den Kollegen die Antwort auch nicht reut.
Namen aus Listen dies nicht bringen,
weil die Angerufnen mit sich ringen,
kommt der Anruf aus Berechnung?
Geb ich Auskunft, stell ich Rechnung?
Kennt man hinterm Namen das Gesicht
So hat das ein anderes Gewicht.
Hallo, schön Dich wieder mal zu hören
Was machen Gattin und sieben Gören?
man kennt sich und ist per Du,
die Auskunft kommt im Nu!
Die Vorträge alleine bringen’ s nicht,
Kollegen zu treffen, das hat Gewicht.
Die Vergangenheit ist nun beendet
Die Zukunft schon Signale sendet
Der Hedonismus drängt von fern und weit
Denn die Küche ist erneut bereit.
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RA Dr. Bruno Derrer
Derrer Satmer Hunziker & Baumgartner
Dufourstrasse 101
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Tel.: 0041 44 383 54 26
Fax: 0041 44 383 54 29
E-mail: bruno.derrer@dsh-law.ch